Das sprechende Multimeter - Teil 4 - AZ-Delivery

Wir haben das TDMM ganz gut entwickelt und eine ordentliche Messgenauigkeit erreicht. Bislang messen wir nur Gleichspannungen und -ströme. Heute sollen Wechselspannungen hinzukommen. Mit einem Shunt kann man dann auch Wechselströme messen. Wechselspannungsmessung ist keine ganz triviale Sache. Die Form der Wechselspannung spielt für unsere Messungen eine Rolle, ebenso die Frequenz. Finden wir einen sauberen Sinusverlauf vor? Was passiert, wenn unsere Wechselspannung eine Rechteckform hat oder als Dreiecksschwingung daherkommt?

Verwendete Komponenten                    

Alle Widerstände

Widerstandssortiment

TL074 Operationsverstärker

Elektronikbedarf; div. Anbieter

Potentiometer 100 kΩ

Mehrgang-Poti

Elko 10 µF

Elko-Sortiment

Kondensator 1 µF

Elko-Sortiment  oder Elektronikbedarf für nicht-polarisierten C

Stromversorgung

MT 3608 Step Up Wandler


Zunächst ein paar Worte zur „Theorie“ vorab, garantiert mit nur ganz einfachen Formeln.

Sinus-Wechselspannung

Beginnen wir mit der Sinus – Wechselspannung, so wie wir sie vom Stromnetz kennen. Unser Stromnetz liefert 230 V Sinus – Wechselspannung mit einer Frequenz von 50 Hz. Mit „230 V“ ist der Effektivwert gemeint. Legt man diese Spannung an einen ohmschen Widerstand, dann entspricht die Wärmeleistung am Widerstand genau der von 230 V Gleichspannung. Das bedeutet „Effektivwert“. Wenn der Widerstand einen Wert von 100 Ω hat, ist die Wärmeleistung P = U2/R  >> P= 2302/100 >> P = 529 Watt, egal ob er am Stromnetz angeschlossen wird, oder an einer Gleichspannungsquelle.

Warum diese Unterscheidung zwischen Effektivwert und anderen Messgrößen?

Schauen wir uns eine Sinusspannung in der Praxis an. So schaut sie auf dem Oszilloskop aus:

Auf der vertikalen Y-Achse schwingt unser Sinus über 6 Skaleneinheiten hin und her. Die Nulllinie liegt genau in der Mitte. Jede Skaleneinheit entspricht 200 mV. Also schwingt unser Sinus 600 mV nach oben und 600 mV nach unten um die Nulllinie. Diese Wechselspannung hat eine Amplitude von 2 x 600 mV, also 1,2 Vpp, Man spricht von „Spannung peak-peak“ oder deutsch „Spannung Spitze-Spitze“. Der sog. „Scheitelwert“ Up  = ½ * Upp. 

Diese Angabe steht in einem festen Verhältnis zu Ueff, dem Effektivwert. Dieses feste Verhältnis ist einfach zu bestimmen.

                Ueff, = Up / √2                                     

Für unseren Fall: Ueff, = 1,2 / √2  >> Ueff, = 0,85 V

Das gilt nur für eine Sinus-Wechselspannung. Mit der hier erklärten Schaltung messen wir ausschließlich die Ueff. Wenn wir Up  berechnen wollen, multiplizieren wir Ueff mit  √2 ( ~1,41).

Was ist Frequenz?

Die Sinuswelle auf unserem Bild wechselt ständig die Polarität und braucht dafür eine bestimmte Zeit. In unserem Fall hat sie - ganz links auf dem Bild - ihren Nulldurchgang. Die komplette Schwingung endet beim dritten Nulldurchgang, fünf Skaleneinheiten weiter rechts. Der eingeblendete Skalenwert der X-Achse ist „2 ms“. Das ist die Zeit pro Skaleneinheit. 5 x 2 ms = 10 ms. In dieser Zeit läuft eine Schwingung ab. Man spricht von „Frequenz“ f = 1/t.  Frequenz ist der Kehrwert der Schwingungsdauer und wird in Hz angegeben: f = 10 ms >> 1 = 100 Hz.

Die Messergebnisse der Schaltung sind frequenzabhängig. Sie liefert brauchbare Werte bis zu einer Frequenz von ~10.000 Hz. Bis zu dieser Frequenz ist die Anzeige ausreichend linear. Das reicht für viele Anwendungsfälle vollkommen aus.

Crestfaktor

Eine Frage ist noch zu beantworten: Welche Messergebnisse darf man erwarten, wenn wir keine Sinus-schwingung haben? Dazu möchte ich auf externe Quellen verweisen, z.B. auf Wikipedia, die hier den Begriff des Crestfaktors erklärt: https://de.wikipedia.org/wiki/Scheitelfaktor. Es läuft darauf hinaus, dass sie - je nach Signalform - den Messwert mit einem Faktor multiplizieren.

Der TDMM Präzisionsgleichrichter

Wir stecken den Präzisionsgleichrichter entweder auf dem Breadboard zusammen oder bauen uns ein kleines Zusatzgerät zum TDMM: Wenn sie sich für den Selbstbau einer kleinen Box entscheiden, können Sie die 4-fach Buchse nutzen, an die wir beim TDMM unsere Prüfspitzen mit „Sprechtaste“ angeschlossen haben. Dort befindet sich schon der Gleichspannungseingang.

Die Box braucht noch eine Stromversorgung. Entweder intern, oder wie hier - extern (Diodenstecker rechts).

In der Box selbst gibt es eine weiße Buchse als gemeinsame Masse für alle Wechselspannungsmessungen und drei grüne Buchsen für die Messbereiche bis 15 V, bis 150 V und bis 450 V.

In der Wahl der Messbereiche sind sie grundsätzlich aber frei. Dazu später mehr.

Die Schaltung

Vielleicht ist der Blick auf diese Schaltung für den einen oder anderen Leser etwas ungewohnt, doch möchte ich sie ermutigen, mit mir von links nach rechts durch den Schaltplan zu gehen:

Sie sehen ganz links unten im Bild eine symbolische Signalquelle. Sie wird für die Schaltungssimulation gebraucht. Denn mit dem Open-Source Projekt KiCAD 8 erstellt man eine Schaltung, simuliert sie und erstellt ggfls. sogar eine gedruckte Platine damit, alles in einem durchgängigen Arbeitsprozess.

Die Signalquelle liefert 500 mV Wechselspannung mit 440 Hz an den nicht-polarisierten Kondensator C1. Er hält alle Gleichspannungsanteile vom Gleichrichter fern. Über R1 gelangt das Signal zur ersten Bufferstufe U1A. Dort ist die Verstärkung 1:1. Die Stufe dient als Impedanzwandler. Mit „QUADOPAMP“ ist hierbei der TL074 bezeichnet, den ich ihnen für diese Anwendung empfehlen kann. Alle vier Operationsverstärker sind auf einem einzigen 14-Pin Chip untergebracht. Es gibt viele andere 4-fach OpAmps, die ebenfalls geeignet sind.

U1B ist der Gleichrichter. Er liefert sein Ausgangssignal über R5 an U1C, der als Integrator arbeitet.  R7 dient dem Feinabgleich. Es folgt die letzte Buffer-/ Verstärkerstufe mit U1D. Dort liefert U1D eine Gleichspannung, die exakt Ueff, entspricht.  Sie wird an die Differenzeingänge des TDMM weitergegeben. DC_OUT liegt am U+ Differenzeingang, die Masse GND an U- des TDMM.

ACHTUNG: Daraus folgt auch, dass das TDMM und der TDMM-Gleichrichter galvanisch getrennte Stromversorgungen benötigen. Ansonsten wäre ein anderes Schaltungskonzept notwendig gewesen. Doch für uns passt es gut.

Praktischer Aufbau des TDMM-Gleichrichters

Der U1A hat einen JFET-Eingang mit einer Eingangsimpedanz von 1012 Ω. Das ist ein sehr hoher Wert, weswegen schon die Berührung mit einem Finger den Gleichrichter komplett übersteuern kann. Da wir diese sehr hohe Impedanz in aller Regel nicht brauchen, ist im Eingangskreis ein 1MΩ-Widerstand gegen Masse geschaltet. Es könnten auch 10 MΩ sein, wenn man eine höhere Eingangsimpedanz wünscht. Besonders beim Breadboard-Aufbau braucht man ein wenig Fingerspitzengefühl an diesem Teil der Schaltung. Der Widerstand sollte recht nahe an den Pins des TL074 platziert werden.

Und hier das Breadboard:

Für den Eingangskondensator kann man einen Elko benutzen, doch empfehle ich eher einen nicht-polarisierten Kondensator guter Qualität. Die Widerstände stammen aus dem AZ-Widerstandssortiment.

Versorgungsspannung

Auf dem Schaltplan habe ich als Betriebsspannung +/- 5 V angegeben. Beim Breadboard sind es +/- 15 V. Es leuchtet ein, dass der Operationsverstärker keine höhere Spannung abgeben kann, als seine eigene Betriebsspannung. Wer Wechselspannungen bis 15 V messen möchte, wählt +/- 15 V. Die Betriebsspannung beeinflusst die Funktion der Schaltung wenig, weil man jede Abweichung mit dem Abgleichpoti kompensieren kann. Nur der Messbereich hängt von der Betriebsspannung ab. Man sollte nach dem Abgleich die Versorgungsspannung nicht mehr ändern. Deren Stabilität ist eher unkritisch.

Getrennte Stromversorgungen - Brummschleifen

Digitalmultimeter haben üblicherweise eine einzige Stromversorgung, einen Akku oder Batterie.

Wir haben hier einen modularen Aufbau gewählt, der zwar mehr Platz braucht, dafür erweiterbar ist und spezielle Möglichkeiten bietet, wie z.B. die Sprachausgabe. Wir lernen noch mehr Funktionen kennen.

Dieses Weg habe ich gewählt, weil wir vielleicht Wechselspannungen messen wollen, die einen Bezug zur Schutzerde (PE) haben. Auch unser Laptop ist - vermutlich über Umwege (z.B. angeschlossene USB-Geräte, andere Messgeräte) - mit Masse verbunden. Und schon haben wir Störsignale und/ oder eine schöne Brummschleife in unseren Messaufbau gezaubert und sehen rätselhafte Messergebnisse.

Deswegen bitte: Der TDMM-Gleichrichter hat seine eigene Versorgung, am besten aus Akkus / Batterien.
Eine einfache, kostengünstige Variante stellen wir gleich hier vor.

Inbetriebnahme und Abgleich 

Um den TDMM-Gleichrichter in Betrieb zu nehmen, benötigen wir einen Sinusgenerator, oder im einfachsten Fall einen kleinen Netztransformator, der auf der Sekundärseite z.B. 6 Veff abgibt. Außerdem benötigen wir ein klassisches Digitalvoltmeter, das wir auf der Sekundärseite des Transformators anschließen, um einen Vergleichswert für die Ausgangsspannung des Trafos zu sehen.

Nun verbinden Sie den TDMM-Gleichrichter mit dem TDMM und gleichen mit dem 100 kΩ Potentiometer die Anzeige des TDMM auf die Anzeige ihres Digitalvoltmeters ab. Das ist keine Premium-Methode, doch für den Tagesgebrauch völlig ausreichend.

Den Messbereich erweitern

Wenn Sie meinen kleinen TDMM-Gleichrichter (2. Foto von oben) anschauen, sehen Sie Eingangsbuchsen für Spannungen ≤ 15 V, ≤ 150 V und ≤ 450 V. Da ich gerne Röhrenradios repariere, brauche ich den Bereich bis 450 V, denn die Röhrengerätetrafos liefern Anodenspannungen von z.B. 275 Veff.

Diese Messungen erfolgen mit einem einfachen Widerstandsnetzwerk und sind durch die hohen Vorwiderstände auch sicher. Da 10 MΩ mit 1% Genauigkeit gut erhältlich sind, habe ich die notwendigen 20 MΩ durch Serienschaltung zweier Widerstände realisiert.

9 MΩ 1% bekommt man ohnehin meist nur als ausgewiesene Messwiderstände.

Im Messbereich „150 V“ multipliziert man den Messwert des TDMM mit dem Faktor 10, für „450 V“ mit dem Faktor 30.

Zweifach-Stromversorgung

Wenn Sie den TDMM-Gleichrichter mit einer +5 Volt Spannungsquelle betreiben wollen, können Sie die negative -5 Volt Betriebsspannung auf ganz einfache Weise mit einem einzigen Chip und wenigen weiteren Bauteilen realisieren. Das ist hier erklärt: mit +5 V machen wir - 5 V

Wenn Sie den vollen Messbereich von +/- 15 V nutzen möchten, empfehle ich den Einsatz von zwei Modulen des Typs MT 3608. Dieses Modul ist schon so oft hier vorgestellt und erklärt worden, dass ich meine Ausführung ganz kurzhalten darf.

Auf der Eingangsseite empfehle ich zwei Batterien von jeweils 6 V. Da der TL074 nur wenig Strom braucht (typ. ≤ 20 mA), kann man mit dem MT3608 jede Betriebsspannung sauber auf 15 V einstellen. Dann achten Sie bitte darauf, dass ein Minus-Ausgang eines der MT 3608 mit Masse verbunden wird. Beim zweiten MT 3608 machen sie es genau umgekehrt. Dort liegt der Plus-Ausgang auf Masse, so dass am Minus-Ausgang die -15 V Betriebsspannung anliegt.

ACHTUNG: Sie benötigten tatsächlich zwei Batterien. Grund dafür ist, dass die Wandler nicht erdfrei sind. Der GND (Minus-) Eingang ist mit dem GND (Minus-) Ausgang direkt verbunden.

Nun wünsche ich ihnen noch ganz viel Spaß mit dem TDMM und seinen neuen Fähigkeiten. Beim nächsten Mal geht es darum, wie man die Messdaten des TDMM ins Netz bringt, in Home-Assistant oder auf dem Mobiltelefon darstellt und wie MQTT funktioniert.

Bis dahin,
Ihr Michael Klein

Quellenangabe:

Die angegebene Schaltung ist Weiterentwicklung eines Vorschlages
entnommen der Website: https://www.electronicdeveloper.de/

Projekte für anfängerStromversorgung

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